Der Eulenkopfring, der blaue Haken und Fahrradführerschein für britische Kinder

Du fragst dich, was diese Dinge miteinander zu tun haben? Das Bindemittel heißt Twitter. Nicht nur, dass wir Normalsterbliche nun nur noch 600 Tweets am Tag lesen dürfen. Nein – darin enthalten sind dann zig „gesponserte“ Tweets. Und diese drehen sich eben um solch fantastische Dinge wie handgearbeitete Silberringe in Eulenkopfform. Oder, für mich sehr relevant, Fahrradführerschein-Ferienkurse für Kinder. In Großbritannien. Auch Bitcoin-Experten, Versicherungsmakler-Banditen, Autoren im Selbstverlag und Gadget-Tester aus Fernost überschwemmen meine Timeline mit ihren seltsamen und, mit Verlaub, meist nervigen Werbe-Tweets. Und da sind auch „R*****s tägliche Erleuchtung, Garten-Deko aus Blech und blödsinnige Minigames für Handy oder Tab.

Beispiel-Tweet Minigame als gesponserter Post

Beispiel-Tweet 2 - gesponserter Tweet

Was ist da los?

Nun, Tatsache ist, dass die Frequenz, mit denen mir dieser digitale Müll vor die Linse gespült wird, drastisch zugenommen hat. Tatsache ist, dass dies ungefähr mit dem Zeitpunkt einhergeht, zu dem jeder Depp sich den blauen Haken kaufen konnte. Eines der Features von „Twitter Blue“ ist nämlich, dass man als verifizierter – und damit zahlender Twitterati – bis zu 50 Prozent weniger Werbung vorgesetzt bekommt. Aha. Also überschwemmt man die Timeline der Verifizierungsverweigerer so lange mit Werbemüll (und der ist wirklich, wirklich unerträglich irrelevant und schlecht), bis man entweder seinen Account stilllegt oder entnervt zahlt. Für den „Deppenhaken“.

YouTube lässt grüßen

Das erinnert doch stark an die Methode, die YouTube vor einigen Jahren eingeführt hat: Selbst die kürzesten Clips werden seit geraumer Zeit für Nicht-Abonnenten (also nichtzahlende Konsumenten) so sehr mit Werbeclips durchzogen, dass man – genau: entweder genervt seinen Account löscht oder zahlt. Im Selbstversuch habe ich herausgefunden, dass ein 1-Minuten-Clip zur Primetime von bis zu drei Werbeclips mit je 8 bis 120 Sekunden unterbrochen wird. Hm…

Marketing, du Hirsch

Klar – jetzt werden selbsternannte Marketing- und Social-Media-Profis argumentieren, dass das ja legitim ist und ja auch davon abhängt, ob man zugestimmt hat, relevante/personenbezogene Werbeeinblendungen bla bla bla…Ja, ich weiß. Aber auch so bekomme ich Werbung ohne Ende. Egal, ob die „auf mich zugeschnitten“ ist oder nicht. Twitter, was ist aus dir geworden? Der einstige Kurznachrichtendienst ist zum digitalen Prospekt verkommen. Auch, weil sich unter nahezu jedem Tweet der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender dutzende Trolle, Hetzer, Bots und mit ihrem Leben chronisch unzufriedene Hirsche versammeln, um zu pöbeln. Um Whataboutism vom Feinsten zu betreiben. Um immer noch der Angela an allem die Schuld zu geben.

Man will nicht, braucht es aber

Wer sich oder mich nun fragt, warum ich nicht einfach gehe und es damit wie so viele seit Elons Übernahme mache: Geht leider nicht. Ich brauche diesen Nonsens noch für meinen Job. Noch. Denn wenn sich meine Kunden je dazu entschließen, Twitter den Rücken zu kehren wegen Nichtrelevanz, dann bin ich dabei. In diesem Sinne: Jesus liebt auch dich, gute Nacht.

Danke für ein kurzes Feedback zum Beitrag :o)

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